Zum Internationalen Tag gegen Islamfeindlichkeit vergangenen Freitag haben sich die Neuen deutschen Medienmacher*innen den Bericht „Muslimfeindlichkeit. Eine Deutsche Bilanz“ aufmerksam durchgelesen und für Medienschaffende sechs Vorschläge formuliert, was sich an der Islam Berichterstattung in Deutschland ändern muss.
Der 400-seitige Bericht des „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ (UEM) enthält viele Ergebnisse zur Berichterstattung über Islam, die Medienschaffende kennen sollten. Das BMI [Bundesministerium des Innern und für Heimat] hat den Bericht zwar wegen eines Satzes kurzzeitig offline gestellt, die Neuen Deutschen Mediemacher*innen haben aber die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
1. Medienbeiträge über Islam sind meist negativ besetzt
57 % der Print- und sogar 89 % der TV-Beiträge über Islam und Muslim*innen handeln von Negativthemen. In ARD- Beiträgen mit Islam-Bezug beschäftigen sich knapp 86 % mit Terrorismus, Krieg und innerer Sicherheit. Das ergibt eine repräsentative Untersuchung von 20.000 Medienbeiträgen mit Islam Bezug. Fazit der Studienmacher*innen: Die Berichterstattung über Islam und Muslim*innen braucht mehr thematische Vielfalt, die auch konstruktive Aspekte der muslimischen Lebensrealität miteinbezieht.
2. Muslim*innen kommen zu selten selbst zu Wort
Nach wie vor werde in Medien „weit mehr über als mit Muslim*innen gesprochen“, so der Bericht. Muslim*innen würden kaum als Sprecher*innen in Erscheinung treten und „in hohem Maße objektifiziert.“ So würden Muslim*innen beispielsweise häufiger als Miliz Anhänger*innen oder Terrorist*innen in Erscheinung treten denn als Mitglieder der Zivilgesellschaft. Das beste Mittel gegen Fremddarstellungen: Mehr personelle Vielfalt in Redaktionen.
3. Stereotype Bilder
Muslim*innen werden auch auf Bildern v.a. als “Sicherheitsrisiko”, “kulturelle Herausforderung” oder als “primitiv” dargestellt, analysiert der Bericht. Muslim*innen werden häufig anders, fremd oder stereotyp markiert – zum Beispiel durch das Kopftuch. Der Expert*innenkreis fordert „eine vollständige Neubestimmung des Bildjournalismus zur Überwindung visueller Stereotype.“
4. Mehr Distanz zu Staat und Behörden
Schon in der Ausbildung lernen Journalist*innen, Sicherheitsbehörden als „privilegierte Quellen“ zu behandeln, manch eine*r hält selbst das Abtippen von Polizeimeldungen für Journalismus. Doch gerade im Themenfeld Rassismus muss Journalismus kritisch bleiben, auch gegenüber Behörden. Weil – wie eine aktuelle Studie von Forscher*innen der Uni Duisburg-Essen zeigt – rassistische Einstellungen unter Polizist*innen keine Einzelfälle sind. Und weil Straftaten, in denen rassifizierte Personen nicht Täter, sondern Opfer sind, sehr viel weniger Aufmerksamkeit durch Sicherheitsbehörden erlangen.
5. Pauschalisierende Debatten
Der UEM hat mehrere Debatten vom Karikaturenstreit, über die Kölner Silvesternacht, bis hin zur Berichterstattung über „Clankriminalität“ untersucht und zeigt: Medienschaffende verfallen immer wieder in ausgrenzende und pauschalisierende Dynamiken. In Medienberichten über Moscheebauten würden „Muslim*innen als Problem benannt, in Gegensatz zur deutschen Gesellschaft gesetzt und damit in den Kontext einer vielfach negativen Berichterstattung über ‚den Islam‘ eingeordnet.” so der Bericht. Die aktuellen Debatten über Beleuchtungen zum Ramadan sind ein gutes Beispiel dafür. Verantwortungsvolle Berichterstattung verzichtet auf solche polarisierenden und aufgebauschten Clickbaiting-Themen auf Kosten von Minderheiten.
6. Redaktionen brauchen mehr Selbstkritik und Verantwortungsbewusstsein
Im Bericht kommen viele Medienschaffende zu Wort, denen die Missstände bewusst sind. Ihre (Selbst)kritik reicht vom Fokus auf Negativthemen und mangelnden Fachkenntnissen, über unzureichenden Bezug zu migrantischen Zielgruppen und einseitiger Expert*innenauswahl, bis zur Angst vor rechten Shitstorms und wirtschaftlichen Zwängen. Verbesserungsversuche scheitern häufig an der eigenen Chef*innen-Etage. Der UEM fordert deshalb „eine grundlegende Reform der Produktionsstrukturen im Journalismus, auf Leitungsebene der Medien und in der professionellen Selbstkontrolle (inkl. Mediengewerkschaften und -verbänden), um Medienschaffende und -organisationen nachhaltig zu sensibilisieren.
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