Am 30. Januar 2025 hielt der Historiker Dr. Harry Waibel im Rahmen der Veranstaltung „Rassismus in der DDR… was war da und was wirkt nach“ einen Vortrag zur Rolle des Rassismus in der DDR und dessen Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die Veranstaltung wurde von der Plattform Kirche und Rassismus in Sachsen organisiert, einem Vernetzungsformat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens zum Austausch über Veranstaltungen, Medien und Literatur zum Thema Antirassismus.
Dr. Waibels Rede analysiert in seinem Vortrag den institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus in der DDR, sowie dessen langfristige Auswirkungen. Er beschreibt, dass rassistische Diskriminierung in der DDR nicht nur auf westliche Einflüsse vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts zurückzuführen sei, sondern auch tief in der Gesellschaft verankert war. Besonders betroffen waren ausländische Vertragsarbeiter*innen aus Ländern wie Vietnam, Mosambik und Kuba, die durch staatliche Regelungen isoliert und entrechtet wurden. Trotz der offiziellen Ideologie des “proletarischen Internationalismus” wurden ihnen grundlegende Rechte verweigert: Sie durften ihre Familien nicht nachholen, lebten unter schlechten Bedingungen in überfüllten Wohnheimen und mussten ständige Kontrollen erdulden. Zudem waren sie oft Schikanen im Alltag und am Arbeitsplatz ausgesetzt. Gleichzeitig existierte ein gesellschaftlicher Rassismus, welcher sich in offenen Aggressionen, Vorurteilen und gewalttätigen Übergriffen Bahn schlug. Die Unzufriedenheit vieler DDR-Bürger*innen mit ihrer eigenen wirtschaftlich-politischen Lage führte dazu, dass Migrant*innen als Sündenböcke herhalten mussten.
Waibel führt die Ursachen dieses Rassismus auf mehrere Faktoren zurück, darunter eine gescheiterte Entnazifizierung und autoritäre Erziehungsmethoden. Trotz des offiziellen antifaschistischen Selbstbildes der DDR habe die Führung rassistische und neonazistische Tendenzen in der eigenen Bevölkerung ignoriert. Junge Menschen wurden in einem System aufgezogen, das Militarismus und Hass gegen Feinde des Staates förderte. Gleichzeitig gab es keinen offenen Debattenraum über Rassismus. Besonders in den letzten Jahren der DDR eskalierte die Gewalt, was sich nach der Wiedervereinigung in einer hohen Zahl rechter Gewalttaten fortsetzte. Diese rassistischen Strukturen wirken auch nach 1990 nach: Die neuen Bundesländer weisen bis heute überdurchschnittlich viele rechte Gewalttaten auf. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung zeigt autoritär-rassistische Einstellungen. Zwar galt die DDR laut offizieller Ideologie als antifaschistisch, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Rassismus fand aber nie wirklich statt.
Das vollständige Redemanuskript sowie Informationen zu weiteren Veranstaltungen sind hier abrufbar:
Plattform Kirche und Rassismus in Sachsen
Die Veranstaltungen der Plattform finden monatlich statt.
Foto: Plattform Kirche und Rassismus in Sachsen