Die Landesflüchtlingsräte Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind entsetzt über Pushback-Berichte aus Görlitz und fordern sofortige Aufklärung
„Wir sind entsetzt über den jüngsten Vorfall an der deutsch-polnischen Grenze: Mindestens zwei jemenitische Staatsbürger wurden von der Bundespolizei innerhalb weniger Stunden zurück nach Polen gebracht, obwohl sie nach eigenen Angaben ein Schutzgesuch geäußert hatten. Uns liegen zudem Hinweise vor, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt. Wir sind im Bündnis dabei, mögliche weitere Betroffene ausfindig zu machen und die uns bekannten Fälle aufzuarbeiten,“ so Henrike Koch, Flüchtlingsrat Brandenburg. “Seit nunmehr einem Jahr sind wir mit den Rechtsverletzungen und Gewalterfahrungen konfrontiert, denen Schutzsuchende im Zusammenhang mit rechtswidrigen Pushbacks an der belarussisch–polnischen Grenze ausgesetzt waren und sind. Dass sie nun auch vor illegalen Pushbacks in Deutschland nicht sicher sind, macht auf dramatische Weise deutlich, wie es um den Schutz des Rechts auf Asyl in Europa steht. Das darf sich nicht wiederholen, weder in Görlitz noch anderswo in Deutschland.“
Am 01.08.2022 berichtete die tageszeitung (taz) von der Einreiseverweigerung mit anschließender Zurückweisung mindestens zweier jemenitischer Staatsbürger durch die Polizeidirektion in Görlitz. Diese schilderte auf Nachfrage, dass eine Einreisebefragung durchgeführt worden sei, diese im Ergebnis jedoch keine Indizien für ein Schutzgesuch geliefert habe. Einer der Betroffenen widerspricht diesen Schilderungen und gibt an, mehrfach gesagt zu haben, dass er Asyl beantragen wolle. Statt einer Berücksichtigung des Asylgesuchs sah sich der Bürgerkriegsflüchtling nach eigenen Angaben jedoch dazu gedrängt, mehrere Dokumente zu unterzeichnen. Auch von der anwesenden Sprachmittlerin habe er sich unter Druck gesetzt gefühlt.
„Hier ist eindeutig etwas falsch gelaufen – mit dramatischen Folgen für die Betroffenen. Ihre Schilderungen werfen viele Fragen auf: Wie kann es sein, dass das Schutzgesuch von zwei offensichtlichen Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Jemen nicht zur Kenntnis genommen wurde? Wie wird grundsätzlich sichergestellt, dass Schutzgesuche gehört werden? Welche Schutzmechanismen werden ergriffen, um insbesondere Verstöße gegen das Refoulement Verbot zu verhindern?“, fragt Dave Schmidtke, vom sächsischen Flüchtlingsrat. Die Landesflüchtlingsräte in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern fordern die zuständigen Behörden, speziell die Bundespolizeiinspektion Görlitz sowie das zuständige Innenministerium auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und eine interne Ermittlung der Vorgänge vorzunehmen.
Im Fall von Asylsuchenden, die aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten, etwa Polen, nach Deutschland einreisen und ein Schutzgesuch äußern, regelt die Dublin Verordnung die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylverfahrens. Im geschilderten Fall hätte das Asylgesuch registriert und daraufhin ein Verfahren zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedsstaats angeschlossen werden müssen. Nachdem Polen über mehrere Monate – im Zusammenhang mit der Aufnahme hunderttausender Menschen aus der Ukraine – keine Rücküberstellungen akzeptiert hat, finden diese seit dem 01. August 2022 wieder statt. Dabei ist insbesondere die Unterbringungssituation in Polen weiterhin katastrophal: Asylsuchende werden automatisch in geschlossenen Lagern inhaftiert, die pro Person zwei Quadratmeter Platz einplanen und sich auf Militärübungsplätzen befinden. Dort können sie grundlegende Rechte, wie das auf medizinische und psychologische Betreuung sowie rechtliche Beratung, kaum wahrnehmen. Die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL kritisieren die Dublin Abschiebungen in das Land und fordern deren sofortige Einstellung.
Quelle: Sächsischer Flüchtlingsrat